Wie immer um diese Jahreszeit zählen wir schon wie kleine Kinder die Tage rückwärts, bis wir Mitte des Monats hier wieder unsere Zelte abbrechen, um längere Abschnitte im Winter in unserer Wahlheimat am Kap zu verbringen.
Dass dieser schier unwiderstehliche Sog, den das Kap auf uns ausübt, offenbar auch auf andere Menschen wirkt, zeigt die Tatsache, dass trotz aller politischen und infrastrukturellen Probleme die Passagier- und damit die Besucherzahlen für die kommende Saison bereits wieder das Vor-Corona Niveau übertreffen werden. Das liegt sicher auch an der Gabe der Südafrikaner, sich trotz oft widrigster Umstände die gute Laune nicht verderben zu lassen. So erleben Besucher am Kap in der Regel eine friedliche, fröhliche und unbeschwerte Zeit fernab der Nachrichten, die uns in Deutschland als monumental tragisch erscheinen. Urlaub im besten Sinne also!
Und weil wir wissen, dass viele unserer Leserinnen und Leser auch in diesem Jahr wieder dem Ruf folgen oder sogar schon vor Ort sind, haben wir im April und Mai dieses Jahres vor unserer Rückreise noch einmal einige Restaurants besucht, in denen wir noch nie waren. Von den Eindrücken, die wir bei diesen fünf Besuchen gewonnen haben, berichten wir heute, bevor wir uns wieder auf den Weg machen, selbst Neues zu entdecken.
Chefs Warehouse – Constantia
chefswarehouse.co.za/beau-constantia
Wow, obwohl weit weg von unserer Basis in Somerset West, hat sich dieser Ausflug nach Constantia wirklich gelohnt. Das Restaurant auf der Weinfarm Beau Constantia ist in vielerlei Hinsicht ein Fest für die Sinne.
Am Hang inmitten von Weinbergen gelegen, verwöhnt das modern gestaltete Restaurant mit romantischem Interieur (wir waren abends bei Dunkelheit dort) und erstklassig geschultem, entsprechend kompetentem und zuvorkommendem Service. Die Küchenbrigade steht dem in nichts nach und setzt dem Ganzen die sprichwörtliche Krone auf.
Es wird ein viergängiges Menü angeboten, wahlweise auch vegetarisch, das zumindest aus unserer Sicht keine Wünsche offen ließ. Verglichen mit dem, was in der deutschen Spitzengastronomie möglich ist, empfanden wir den aktuellen Menüpreis von ca. 45,- € als fast schon ausbeuterisch gutes Geschäft.
Wer in der Nähe ist und einen Sinn für Gastlichkeit und Kulinarik hat, für den ist das „Chefs Warehouse“ sicherlich ein lohnendes Ziel.
Post & Pepper – Stellenbosch
postandpepper.co.za
Wenn wir an diesen Abend zurückdenken, denken wir immer zuerst an die Chefin und Küchenchefin dieses kleinen, aber feinen Restaurants im Herzen von Stellenbosch.
Nach dem Essen kamen wir mit ihr ins Gespräch und konnten uns die Frage nicht verkneifen, wie man denn mit langen (nicht zu langen) und so gepflegten Fingernägeln kochen könne. Sie lächelte und verriet uns, dass sie diese wochenlang sorgfältig für ihre Hochzeit am Wochenende gezüchtet hatte. Falls Sie sich also bei Ihrem nächsten Besuch schockverlieben, Jess van Dyk ist schon in festen Händen. ;-)
Für alle, die in Stellenbosch übernachten, ist das Post & Pepper schon deshalb ideal, weil es im Herzen der Stadt sehr gut zu erreichen ist, für viele wahrscheinlich sogar zu Fuß. Auch hier ist das Ambiente modern, aber bei weitem nicht so romantisch wie im Chefs Warehouse. Die Anzahl der Tische ist begrenzt und was Jess mit ihrem Team hier auf die Teller zaubert, ist absolut sehens- und genießenswert. Sie selbst beschreibt ihre Küche als verspielt mit neu interpretierten Klassikern mit dem gewissen Etwas. Bei einem Preisniveau, das deutlich unter dem des Chefs Warehouse liegt, wird sie diesem Anspruch vollauf gerecht.
Aktuelle Gerichte sehen z.B. so aus:
PORK LOLLIPOPS / crispy & sticky pork belly, doenjang glaze, charred spring onion dip oder so
KERALA FISH /steamed seabass, curry coconut cream, tomato & tamarind jam, peshwari naan
Uns jedenfalls hat sie überzeugt und wir werden sie sicher bald wieder besuchen. Das Niveau insgesamt ist hoch, aber völlig entspannt und frei von jeglicher Arroganz.
Stefan’s im Erinvale Hotel - Somerset West
erinvale.co.za/dining/stefans/
Manchmal liegt das Gute so nah und man sieht es nur nicht. Wirklich unglaublich ...
Seit mehr als 20 Jahren verbringen wir viele Monate im Jahr in Somerset West und ebenso lange kennen wir den Golfplatz Erinvale (vom Vorbeifahren), schon allein deshalb, weil einige erstklassige Weingüter direkt angrenzen (Vergelegen, Morgenster, Lourensford) und die letzte freie Seite den Rand zum „Helderberg Nature Reserve“ bildet, in dem wir mehrmals wöchentlich unterwegs sind.
Dass sich aber direkt vor dem Eingang zum Golfplatz ein gleichnamiges Hotel mit einem erstklassigen Feinschmeckerrestaurant befindet, haben wir erst bei der gezielten Suche nach interessanten Lokalen bemerkt, die wir für Sie testen können.
In gehobenem Nobelhotelambiente hat man hier die Wahl zwischen einem mehr als ausreichenden 7-Gänge-Menü und einem wahrscheinlich kaum zu bewältigenden 10-Gänge-Menü. Die Küche ist ausgefallen, sehr anspruchsvoll und teilweise enorm aufwendig präsentiert (Steffi hat viel fotografiert :-)) und mit einem Preis von derzeit 42,- € für deutsche Verhältnisse fast schon ein Witz, wie so viele gastronomische Angebote am Kap.
Das Highlight für uns war aber, neben der Entdeckung an sich, der schlichtweg hinreißende Service. Zugegeben, wir waren in der Nebensaison und dementsprechend wenig war los, aber die menschliche Wärme und Freundlichkeit der beiden Damen im Service war einfach herzerwärmend und zumindest für uns ein Grund, auch hier bald wieder vorbeizuschauen.
Bella Stella im Morgenhof Estate– Stellenbosch
Sie lieben authentische italienische Küche mit original italienischen Produkten und das in einer sehr entspannten, typisch italienischen Atmosphäre? Dann sind Sie hier genau richtig, auch mit Kindern. Die Kinder können auf der großen Wiese vor dem Restaurant spielen und auch die Straße ist weit weg und hinter einem großen Zaun. Entspannung pur also für die ganze Familie und das nur wenige Uber-Fahrminuten vom Stadtzentrum entfernt.
Ein kleiner Wermutstropfen sind derzeit die Weine bei Morgenhof. Der neue indischstämmige Besitzer hat offenbar einen neuen Winzer eingestellt. Seitdem schmecken zumindest uns die Weine nicht mehr. Unsere Empfehlung wären hier die noch verfügbaren Rotweine der alten Winemaker. Wir hatten z.B. den 2015er Cabernet und der war wirklich wunderbar zur Pizza. Den Wein selbst mitbringen wie fast überall ist hier leider nicht möglich, das schickt sich nicht auf einer Weinfarm.
Und damit sind wir auch schon beim letzten bebilderten Tipp für diese Woche ...
Tang – Kapstadt, Waterfront
tanghospitality.com
Wir waren von diesem Lokal so begeistert, dass wir eigentlich sicher waren, schon darüber geschrieben zu haben, aber offensichtlich haben wir es nicht getan, zumindest finden wir nichts in der Historie …
Dabei ist das Tang eines dieser Lokale, in die wir eigentlich nur ungern gehen, weil sie durch ihre prominente Lage wahrscheinlich so viel Miete kosten, dass dann alles nur noch dem Kommerz untergeordnet wird und niemand mehr auf die Qualität schaut. Und von der Lage her könnte es prominenter nicht sein. Es ist die „prime location“ an der Waterfront in Kapstadt, an der jeder vorbei muss, wenn er das Hauptgebäude durch den Haupteingang betritt.
Wir waren an einem Abend dort, wussten beide überhaupt nicht, was wir essen wollten und beschlossen, das neue, schicke Lokal auszuprobieren.
Obwohl Nachsaison war, hatten wir das Glück, als „Walk-Ins“ noch einen Platz an der Bar zu ergattern. Von der ersten Sekunde an waren wir von dem modernen, schlichten Ambiente, der coolen Musik und der hochwertigen Einrichtung begeistert. Schnell wurde klar, dass es sich hier nicht um ein gewöhnliches Lokal handelt. Da sich das aber auch schlaue Konzeptentwickler am Computer hätten ausdenken können, waren wir nun äußerst gespannt, ob hier auch operativ Gastroprofis am Werk waren und vor allem, ob die Küche unserem, binnen Minuten gestiegenen, Erwartungsdruck standhalten konnte. Der Service war jedenfalls schon mal super freundlich. Während wir auf das Essen warteten und unser obligatorisches Feierabendbier tranken, hatten wir Zeit, das Kommen und Gehen zu beobachten und trauten unseren Augen nicht, was für coole Leute wirklich aller Hautfarben (gefühlt fast alles Südafrikaner) mit den wildesten Outfits sich hier ein Stelldichein gaben. Wir gehörten definitiv zu den ältesten 20% und den konservativsten 10% der langweilig gekleideten Gäste. Man hatte den Eindruck, dass sich hier die Prominenz der Stadt traf. Und als dann das Essen kam, wussten wir auch warum. Neben dem extrem coolen Ambiente zu erträglichen Preisen war fast alles, was aus dieser modern asiatisch inspirierten Küche kam ein Zungenschnalzer.
Sie merken, wir waren begeistert und glücklich, neben dem Willoughby‘s ein zweites Zuhause an der Waterfront gefunden zu haben.
Kurz bevor wir gingen, setzte sich noch der Pächter mit seiner Frau neben uns an die Bar und weil wir als Ex-Gastronomen neugierig waren, kamen wir kurz ins Gespräch darüber, wie man als Gastronom auf die Idee kommt, sich so eine teure „Location“ ans Bein zu binden. Er erzählte uns dann, dass es nicht seine Idee war, sondern die der Waterfront. Er betreibe seit vielen Jahren ein ähnliches Lokal in Johannesburg und seit einigen Jahren versuchte das Management ihn zu überreden, in ihrem Center zu starten. Zum Glück hat er sich dann doch überreden lassen und anscheinend haben auch die Konditionen gepasst. Auf jeden Fall ist klar, dass dies keine Eintagsfliege war und dass der Gastgeber genau weiß, was er tut. Wenn die Qualität hier gehalten wird, werden wir und unsere Freunde sicher noch den einen oder anderen Abend hier verbringen und uns am Treiben der flippigsten Kapstädter erfreuen.
Und damit sind wir für heute fertig, nicht ohne Ihnen noch einen unserer Evergreens mit auf den Weg zu geben, den wir vielleicht schon einmal erwähnt haben.
Das „Magica Roma“ in den Pinelands vor den Toren Kapstadts. Hier ist es weder schön noch romantisch, aber seit Jahrzehnten fest in italienischer Hand und immer voll, einfach, weil die Qualität stimmt. Unser Standard hier ist ihre Interpretation eines „Bistecca Fiorentina“. Kennen Sie das, wenn Sie immer wieder über der Speisekarte grübeln, nur um dann doch immer dasselbe zu bestellen? So geht es uns hier. Das „Magica Roma“ eignet sich am besten, wenn man auf der N2 stadtauswärts in Richtung Flughafen unterwegs ist oder wenn man, aus Stellenbosch über die N2 kommend, Lust auf Essen hat, aber nicht bis in die Stadt fahren möchte.