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Jenseits der Flasche: Zurück zum Gleichgewicht

Regenerativer Weinanbau in Südafrika

Der Fokus der regenerativen Landwirtschaft liegt darauf, die Artenvielfalt zurück in Monokultursysteme zu bringen“, erklärt Jacques van Rensburg, Senior Extension Officer des Programms „Sustainable Agriculture: Fruit & Wine“ beim Worldwide Fund for Nature Südafrika (WWF-SA).
Die Philosophie der regenerativen Landwirtschaft geht auf die 1980er Jahre zurück, als der Experte für nachhaltige Landwirtschaft, Robert Rodale, den Begriff erstmals prägte. Heute fördert das Rodale Institute im US-Bundesstaat Pennsylvania diesen landwirtschaftlichen Ansatz weiter und stellt die Bodengesundheit ganz oben auf die Prioritätenliste der Landwirte. „Bei der Weinherstellung streben wir letztlich nach Ausgewogenheit“, sagt Alastair Rimmer, Kellermeister bei DeMorgenzon Wine Estate außerhalb von Stellenbosch. „Und für mich geht es beim regenerativen Weinbau darum, das Gleichgewicht im Boden wiederherzustellen. Der Versuch, eine Umgebung zu schaffen, die gleichermaßen weniger schädlich für die Welt um uns herum und vorteilhaft für die Reben ist.“ „Alles hängt vom Boden ab“, stimmt van Rensburg zu. „Wir müssen uns auf die Bodengesundheit konzentrieren. Wir brauchen Biodiversität und wir brauchen gesunde Ökosysteme. Wir müssen lernen, im Einklang mit der Natur zu wirtschaften. Am Ende führt dieser Ansatz automatisch auch zu gesünderen Reben.“ Ausgangspunkt beim Blick auf den regenerativen Weinbau ist für viele Winzer, das Potenzial von Zwischenfrüchten / Sekundärkulturen zu nutzen. Gemeint ist damit die bewusste und zielgerichtete Pflanzung anderer Kulturen auf den Freiflächen zwischen den Rebstöcken.

Damit gelingt zunehmend die Flucht aus dem „Teufelskreis der Unkrautbekämpfung“ wie Rimmer eine leider immer noch weit verbreitete Routine nennt. Die besteht darin die vegetative Konkurrenz, also den Wettbewerb um Nähstoffe, zwischen den Rebstöcken und dem üblicherweise dazwischen wachsenden Unkraut durch exzessiven Herbizideinsatz zu unterbinden.
Alternativ dazu kann ein vielfältiges Zwischenfruchtregime die gleichen Ergebnisse mit einer Vielzahl von zusätzlichen Vorteilen erzielen.

„Alles hat seinen eigenen Platz im Ökosystem“, sagt Luke O'Cuinneagain, der 2022 als Kellermeister zum Weingut Vergelegen in Somerset West kam. „Wir müssen lernen, mit der Natur zu arbeiten, um mit unseren Weinen ein Gefühl für den Ort auszudrücken.“ Bei Vergelegen experimentieren O'Cuinneagain und sein, für die Gesundheit der Rebstöcke verantwortliche Kollege (viticulturist) Rudolf Kriel mit verschiedenen Zwischenfruchtmischungen. Sie verwenden verschiedene Pflanzen für unterschiedliche Ergebnisse. „Wir pflanzen u.a. viel Rettich an“, erklärt O'Cuinneagain. „Weil der knollig ist, bricht er den Boden auf, und verringert die Verdichtung, und wenn er zerfällt, bildet er Kanäle, durch die Wasser tiefer in den Boden eindringen kann.“

 

Vergelegen Weinmacher - Wir müssen im Einklang mit der Natur arbeiten


Neben Rettich wird die Verwendung von Hülsenfrüchten zur natürlichen Stickstofffixierung durch eine Reihe von Kleearten ergänzt. Dadurch entsteht eine dicke Mulchschicht zwischen den Weinbergsreihen, die den Boden kühl hält, Feuchtigkeit zurückhält und das Wachstum von Unkraut hemmt, ohne dass Herbizide erforderlich sind. „Wir befinden uns in der Anfangsphase des Prozesses“, sagt O'Cuinneagain. „Unsere Herausforderung besteht darin, dass wir 130 Hektar Weinberge haben, was ein riesiges Unterfangen ist.“ Wie viele der WWF Conservation Champions betrachtet Vergelegen das Thema regenerative Landwirtschaft ganzheitlich und untersucht die kleinsten Facetten des landwirtschaftlichen Prozesses, um Wege zu finden, die biologische Vielfalt wiederherzustellen und um die Auswirkungen des Weinanbaus auf die natürliche Landschaft zu verringern.
Im Jahr 2022 startete das Weingut einen Versuch mit umweltverträglichen Eukalyptuspfosten zur Befestigung der Drähte der Spaliere zur Reberziehung.
Um die Langlebigkeit dieser Weinbergs Spaliere zu verbessern, werden üblicherweise mit Kreosot oder chromatiertem Kupferarsenat (CCA) behandelte Eukalyptuspfosten verwendet. Dieser Produktionsprozess aber ist wasser- und chemikalienintensiv und birgt die Gefahr, dass CCA in den Boden ausgewaschen wird.

Auf 3,55 Hektar Sauvignon Blanc- und Semillon- Weinbergen werden bei Vergelegen unbehandelte Pfosten aus winterharten Eukalyptusbäumen getestet, die in den Cape Winelands zu finden sind.
Rudolf Kriel, der „Viticulturist“ auf Vergelegen startete zudem ein ehrgeiziges Bienenprojekt. Mehr als 250 über das Anwesen verteilte Bienenvölker unterstützen seither tatkräftig die Bestäubung der Weinberge. Zudem entstehen wieder natürliche Kolonien die ihrerseits wieder durch die Anpflanzung verschiedener Fynbos-Arten unterstützt werden, die speziell zur Unterstützung von Honigbienen ausgewählt wurden. O'Cuinneagain und Kriel erwägen auch die Ausweitung der Fynbos-Korridore in die Weinberge, wobei einheimische Vegetation zwischen den Weinbergreihen verwendet wird, um Wildnis Korridore innerhalb der Weinberge zu schaffen.

Weil es sich dabei aber um die Einbringung einer neuen dauerhaften Zwischenfrucht handelt müssen wir uns ansehen, wie sich das auf das Wachstum der Reben auf beiden Seiten auswirkt, sagt O'Cuinneagain.
Fügen wir dem Boden damit etwas hinzu das den Charakter der Trauben verändert? Dies sind nur ein Paar der Dinge, die wir erst noch verstehen müssen. In den nächsten Jahren wird es eine Menge Experimente geben, um zu sehen, was funktioniert.“

 

Neethlinghof- Naturschutz wird groß geschrieben

Ein weiteres Anwesen, das natürliche Korridore nutzt, ist Neethlingshof in der Nähe von Stellenbosch, wo unproduktive Weinberge entwurzelt und mit gefährdetem Renosterveld neu bepflanzt wurden. Eulenpfosten wurden installiert, um natürliche Raubtiere zu ermutigen, und sogar der scheue Karakal wird jetzt auf dem Grundstück gesichtet. Auf so viele Arten wird das natürliche Ökosystem der Farm regeneriert und über die Zeit wieder ins Gleichgewicht kommen. Auf Neethlingshof haben diese Renosterveld-Korridore auch einen weinbaulichen Nutzen, indem sie Pufferzonen schaffen, die die Ausbreitung von Krankheiten zwischen den Weinbergen verhindern und gleichzeitig einen Zufluchtsort für natürliche Raubtiere schaffen. Und es sind nicht nur wilde Tiere, die ins Spiel kommen. Eine Handvoll örtlicher Weingüter – wie Boschendal und Hartenberg – experimentieren mit der Einführung von Vieh in den Weinbergen, um Deckfrüchte zu verwalten und die Bodendüngung zu verbessern.

Es gibt zwar unzählige Möglichkeiten, wie umweltbewusste Weingüter ihre landwirtschaftlichen Praktiken verbessern, „es ist jedoch keine Lösung über Nacht; es ist ein langfristiger Plan“, warnt Stefan Hartmann, Betriebsleiter und Weinbauer des Weinguts Bouchard Finlayson in Hemel-en-Aarde, wo 80 Prozent des Grundstücks als Fynbos-Schutzgebiet reserviert sind. „Jeder Betrieb ist anders, also müssen Sie den Plan an Ihre Weinberge anpassen. Für uns geht es um einen Ansatz mit minimalen Auswirkungen auf unserer Weinberge auf die umgebende Natur.

 

Halbierung von Herbiziden bei Bouchard Finlayson

Bei Bouchard Finlayson hat sich der Einsatz von Herbiziden durch verbesserte mechanische- und Arbeitspraktiken sowie gezielteres Mulchen, Kompostieren und mehrjähriges Bedecken in ausgewählten Weinbergen halbiert. „Man sieht sofort mehr Leben in den Reben“, sagt Hartmann. „An heißen Tagen sieht man, dass die Pflanzen weniger gestresst sind und auch wenn es windig ist. Die Weinberge sind robuster und sehen besser aus. Außerdem haben wir in den letzten vier Jahren keine Insektizide mehr versprüht. Mit diesem regenerativen Ansatz versuchen wir, natürliche Fressfeinde zurück in die Weinberge zu bringen.“
„Letztendlich sollten unsere Winzer weniger tun“, stimmt Rimmer zu. „Die regenerative Bewirtschaftung bringt die Weinberge wieder in einen natürlicheren Rhythmus.
Am Ende aber es geht nicht darum, das Gleichgewicht der Natur wiederherzustellen, vielmehr stellen wir ein Gleichgewicht her, dass unserem Endziel, wirklich guten Wein zu machen, förderlich ist, bei gleichzeitig möglichst geringer Beeinträchtigung der umgebenden Landschaft.“

 

DeMorgenzon sprüht nur wenn ein echtes Risiko von Mehltau und Botrytis besteht

Ein wichtiger Punkt, denn der regenerative Ansatz muss für die Erzeuger auch finanziell tragbar sein. Bei DeMorgenzon verwendet das Weinbauteam Wolkenschemata und historische Daten, um den Krankheitsdruck vorherzusagen. „Wenn wir sehen, dass in den nächsten sieben Tagen kein Risiko von Mehltau oder Botrytis besteht, besteht keine Notwendigkeit zu sprühen. Wenn Sie weniger sprühen und das gleiche Ergebnis erzielen, ist es rentabler. Am Ende des Tages muss es wirtschaftlich sinnvoll sein“, sagt Rimmer. DeMorgenzon hat auch in Mehrarten-Deckfrucht-Pflanzmaschinen investiert und prüft mehrreihige Spritzgeräte, um die Effizienz zu steigern und die Bodenverdichtung zu reduzieren. „Es sind kleine Veränderungen, sie sind nicht glamourös, aber sie machen am Ende des Tages einen großen Unterschied“, sagt Rimmer.

Damit diese schrittweisen Änderungen erhebliche und dauerhafte Auswirkungen auf die Biodiversität und die Gesundheit des Ökosystems der südafrikanischen Weinberge haben können, darf das Konzept der regenerativen Landwirtschaft nicht dem Greenwashing zum Opfer fallen und nur als hohler Marketing-Spin enden. Obwohl die Regenerative Organic Alliance – zu der auch das Rodale Institute gehört – in den Vereinigten Staaten ein Zertifizierungssystem anbietet, gibt es in Südafrika derzeit kein solches Gütesiegel.

„Wir laufen Gefahr, dass dies zu einem Schlagwort ohne Substanz wird, aber es findet definitiv ein Umdenken statt“, sagt van Rensburg. „Als landwirtschaftlicher Ansatz gewinnt es definitiv an Fahrt, und das Programm der Conservation Champions hilft dabei.“

 

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