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Süßwein Madeira – unverwechselbarer Genuss

Kaum ein Wein hat so viele Höhen und Tiefen erlebt wie der Madeira. Die mit Weinbrand angereicherten feinen Tropfen von der Insel mitten im Atlantik hatten im 18. Jahrhundert einen legendären Ruf. Durch den Schiffsverkehr zwischen der Alten Welt und den Kolonien, gelangten die Süßweine der Insel damals in alle Welt. Sie waren in den südamerikanischen Kolonien und an der nordamerikanischen Ostküste genauso beliebt wie in England und den Niederlanden. Madeira galt als berühmtester und langlebigster Dessertwein der Welt und als so edel, dass sogar die amerikanische Unabhängigkeitserklärung mit Madeira gefeiert wurde.

Vom Kochwein zum Qualitätswein

Doch Reblauseinfall und veraltete Techniken in An- und Ausbau führten im 20. Jahrhundert zum Niedergang der Madeira-Weine. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der einst so beliebte Süßwein immer mehr zum reinen Kochwein degradiert. Erst vor rund 20 Jahren starteten die Winzer auf Madeira eine Qualitätsoffensive und so erleben die süßen, zunehmend aber auch trockenen Madeira-Weine heute eine Renaissance. Kräftige Dessertweine, aber auch leichte weiße Tafelweine aus Verdelho-Trauben oder der intensiv rote Madere-Cruz aus der Negramoll-Traube – das sind Madeira-Weine, die heute Weinfreunde begeistern.


Zentrum der Weinverarbeitung ist die Hauptstadt Funchal

Klein, aber fein ist das Terroir auf dem die edlen Tropfen entstehen. Etwa 1000 Kilometer vom Mutterland Portugal entfernt ist das Areal, das auf der Insel für den Weinbau zur Verfügung steht, überschaubar. Insgesamt 2000 Hektar Weinanbaufläche existiert überhaupt,  kommerziell bewirtschaften die Winzer lediglich 400 Hektar. Am Ende stehen rund 2,4 Millionen Liter feinster Madeira-Wein pro Jahr. Das Zentrum der Weinverarbeitung auf der 741 Quadratkilometer großen subtropischen Insel gegenüber der Küste Afrikas bildet dabei die Hauptstadt Funchal.

Ideale Bedingungen für den Weinbau

Der Qualitätsweinanbau auf Madeira profitiert von geradezu idealen Bedingungen. Das Klima ist mild und fast subtropisch, der Boden vulkanischen Ursprungs und von Basalt und Tuff geprägt. Die extrem fruchtbare Auflage aus organischem Material stammt noch aus der Zeit der Waldbrände auf Madeira. Zu verdanken ist sie dem portugiesischen Seefahrer João Goncalves, der Madeira im Jahr 1420 entdeckte und das dicht bewaldete Eiland (Madeira bedeutet „Insel des Waldes“) in Brand steckte. Sieben Jahre sollen die Feuer gewütet und fast gesamte Vegetation vernichtet haben. Doch die dabei entstandene Holzasche ergab zusammen mit dem vulkanische Boden beste Voraussetzungen für einen erfolgreichen Weinbau.


Kommerzieller Weinbau seit Ende des 16. Jahrhunderts

Das perfekte Terroir für die Weinherstellung machten sich schon die ersten Siedler der Insel zunutze, doch ein kommerzieller Weinbau ist erst ab Ende des 16. Jahrhunderts dokumentiert. Zu der Zeit kam auch der Weinexport so richtig in Fahrt. Dabei entwickelte sich der Hafen der Hauptstadt Funchal zum Umschlagplatz für Madeira-Weine. Er war eine strategisch bedeutende Zwischenstation auf dem Weg der Schiffe nach Afrika, Asien und Südamerika. Hier machten sie Rast und deckten sich mit Proviant ein. Und hier nahm auch die wundersame Verwandlung des Madeira-Weines ihren Anfang.

Unverwechselbar Weinstil dank einzigartigem Verfahren

Die Seeleute staunten nicht schlecht, als der Süßwein auf dem Weg nach Amerika und in die niederländischen Kolonien immer besser wurde, je länger er durch tropisches Klima geschippert, hohen Temperaturen und schaukelnden Bewegungen ausgesetzt war. Sicher konnte man sich das damals nicht erklären und dennoch: Ein einzigartiger Weinstil war geboren, der den Madeira bis heute unverwechselbar macht. Von nun an schickten Madeiras Winzer ihre Süßweine allein zur Ausreifung auf Schiffreise nach Ostindien und zurück. Ein auf solche Weise gereifter Madeira wurde auch als „Vinho da roda“ bezeichnet. Dem Herrstellungsverfahren gaben die Winzer den Namen „Torna Viagem“ (Rundreise). Weine, die auf diese Weise zweimal den  Äquator überquerten, gibt es heute noch: Auf diesen alten Madeiraflaschen steht auf dem Etikett (TVE) und sie sind nahezu unbezahlbar.


„Vinho Canteiro“ reifen in der Sonne und auf Dachböden

Auf Schiffsreise muss Süßwein aus Madeira heute nicht mehr geschickt werden, um seinen einzigartigen Geschmack zu erhalten. Die traditionelle Methode wurde inzwischen durch verschiedene Herstellungsvarianten ersetzt. Die einen Winzer reifen ihren edlen Süßwein in Eichenfässern auf Dachböden mit großen Temperaturschwankungen, andere lassen ihn in Lagerhäusern unter Glasdächern in der Sonne viele Jahre altern. Das Verfahren heißt „Canteiro“ und die auf diese traditionelle Weise gereiften Weine werden als „Vinho Canteiro“ bezeichnet. Bei beiden Methoden wird der im Wein enthaltene Zucker durch das Erwärmen teilweise karamellisiert, entstehen die besonderen Aromen und die einzigartige Weinfarbe.


Den Alterungsprozess beschleunigen

Den typischen Geschmack und den durch starke Oxidation entstandenen Maderisierungs-Ton des Süßweines kann man aber auch mit einem weiteren, viel schnelleren Verfahren erreichen. Das nutzen Madeiras Winzer für nicht ganz so exclusive Weine. Dabei erhitzen sie den Süßwein in Stahltanks auf 45 bis 50 Grad Celsius, lassen ihn wieder abgekühlen und anschließend in Fässern reifen. Der Prozess wird „Estufagem“ genannt und ist extrem effektiv: Drei Monate des „Estufagem“-Verfahrens sorgen für einen ähnlichen Alterungsprozess des Weines wie vier Jahre Lagerung in der Sonne. Allerdings sind diese Weine nicht ganz so fein.


Vintageweine haben ein Entwicklungspotential von mehr als 100 Jahren

Dafür, das Weinliebhaber den Überblick nicht verlieren, sorgt eine klare Kennzeichnung der Süßweine Madeiras. Die Weinklassifizierung erfolgt nach Lagerungsmethode, Lagerungsdauer und Rebsorte. Harvest Weine werden aus traditionellen weißen Reben oder Tinta Negra hergestellt und reifen mindestens fünf Jahre in Eichenfässern. Vintage, Frasqueira oder Garrafeira Weine werden nach dem Canteiro-Verfahren aus einer der traditionellen weißen Trauben hergestellt und altern dann 20 Jahre in Holzfässern.

Einfache Weine mit der Bezeichnung „Finest“ sind drei Jahre gereift. Das Mindestreifealter für Weine aus edlen Rebsorten beträgt fünf Jahre, das sind die „Reserve“ oder „5-Year-Old Madeira“. Ab „Special Reserve“ oder „10-Year-Old Madeira“ beginnen die exclusiven Weine, zu denen auch „Extra Reserve“ oder „Over 15-Years-Old Madeira“ gehören. Vintage-Madeiras lagern zwischen 20 und 50 Jahren bis sie in Verkauf kommen, davon die letzten zwei Jahre in der Flasche. Sie haben am Ende ein Entwicklungspotential von mehr als 100 Jahren. Als weiteres Unterscheidungsmerkmal wird auf dem Weinetikett der Süßigkeitsgrad angegeben (seco, meio seco, meio doce und doce) und auch die Weinfarbe (pale=hell und dark=dunkel).


Fünf traditionelle Traubensorten mit großen inneren Werten
 
Madeiras Süßweine werden überwiegend reinsortig produziert und spiegeln in ihrem Bukett die üppige und vielfältige Vegetation der einzigartigen exotischen Insel wieder. Durch den fruchtbaren vulkanischen Boden, auf dem sie wachsen, sind sie reich an Mineralien und Eisen. Fünf traditionelle Traubensorten stehen dabei für fünf verschiedene Madeira-Stile. Als Rebsorte dominiert die Tinta Negra Mole, aus der die einfacheren Madeiras erzeugt werden. Malvasia, Bual, Verdelho und Serail stehen für exclusivere Tropfen, die zu den besten und teuersten der Welt zählen. Nur mehr in ganz kleinen Mengen werden Weine aus der legendären Sorte Terrantez produziert.


Klassische europäische Sorten für neue Verschnitte

Seit einiger Zeit werden auf Madeira zu den ursprünglichen amerikanischen Rebsorten, aus denen nach wie vor Süßweine produziert werden, auch zahlreiche klassische europäische Sorten wie Malvasia Fina (Boal), Folgasão (Terrantez), Bastardo, Complexa, Deliciosa, Tinta Barroca, Tinta Negra, Touriga Francesa und Touriga Nacional angebaut. Aus den neuen Rebsorten entstehen frische, aromatische und ausgeglichene trockene Rot- und Weißweine. Malvasia Fina wird zum Beispiel zum Verschnitt mit der weißen Rebsorte Verdelho genutzt. Der fertige Wein hat eine moderate Frische und einen abgerundeten Geschmack. Verdelho wird auch in Kombination mit der Traube Tinta Negra für die Herstellung von Weiß- und Rotweinen verwendet.


Traditionelle Cuvées aus alten Weißweinsorten

Traditionelle Cuvées entstehen aus alten Weißwein-Rebsorten der Insel und Weinen, die am Ende für eine speziell gewünschte Süße sorgen: Die Sercial-Rebe wird für trockene Weine, Verdelho für halbtrockene, Bual (Boal) für halbsüßes und Malmsey (Malvasia) für die süßesten Weine verwendet. Nur wirkliche DOC Madeira Spitzenweine werden aus diesen vier weißen Rebsorten hergestellt, denen gelegentlich auch Terrantez zugesetzt wird. 
 

Edelsorten werden von Hand gelesen

Die Weinanbauflächen auf Madeira sind klein, in Parzellen aufgeteilt und terrassenförmig an den vulkanischen Hängen angelegt. Die tiefstgelegenen Rebgärten liegen nur wenig über Meereshöhe, die höchsten rund 900 Meter über dem Meeresspiegel. Traditionell werden die Reben auf sehr niedrigen Pergolen auf den Terrassen gezogen, so dass Madeiras 4000 Weinbauern die Trauben gebückt oder knieend von Hand lesen müssen. 80 Prozent der Fläche ist mit der Sorte Tinta Negra bestockt. Sie war lange verschmäht, steht aber bei richtiger Pflege für qualitativ hochwertige Weine. Auf rund 100 Hektar werden die sechs Edelsorten angebaut, die auch heute noch für Madeiras berühmtesten und langlebigsten Dessertweine der Welt stehen.







 



 
















 













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