Portweintrauben werden traditionell per Fuß zerkleinert, aber muss dieser Fuß einen Puls haben? An dieser Frage scheiden sich die Geister. Echten Weinfreaks sind menschliche Eingriffe auf den Geschmack und das Terroir von Wein grundsätzlich ein Graus. Und bei einer Tatsache sind sich fast alle, die mit Wein zu tun haben, einig: Die Abhängigkeit von Maschinen beim Anbau und der Produktion von Wein ist nicht gut für den Weinbau. Man darf sich allerdings fragen: Ist diese reflexartige Reaktion gerechtfertigt, besonders wenn es um die Produktion von Port geht?
Von der Kunst Trauben zu Fuß zu verarbeiten
Die Kunst Trauben zu Fuß zu verarbeiten, reicht Hunderte von Jahren zurück. Ein klassischer Lagare oder ein Becken, in dem die Kellermitarbeiter auf die Trauben treten, ist normalerweise etwa 12 Quadratmeter groß. Die Trauben werden in einer Schicht von etwa 80 cm in den Lagare gelegt, dann steigen die Arbeiter hinein und treten so lange auf die Trauben ein, bis die Zellwände der Traubenhaut aufbrechen. Bei der harten Arbeit ist es wichtig, die Traubenkerne nicht zu zerdrücken, denn dann würde den Wein bitter schmecken.
Enormer Arbeitsaufwand bei tradtionellen Methoden
Viele Weinliebhaber glauben mit großer Leidenschaft daran, dass Wein, der per Hand geerntet und verarbeitet wird, dem mechanisch bearbeiteten weit überlegen ist. Doch: „Das Treten in den Lagares und das Ernten von Trauben in Weinbergen bringt einen enormen Arbeitsaufwand mit sich und immer mehr Regionen in ganz Portugal kämpfen mit Arbeitskräftemangel“, bringt es Evan Goldstein, Präsident bei „Full Circle Wine Solutions“ auf den Punkt. "In vielen Fällen wird dann mechanisiert oder man hört gleich komplett mit dem Weinbau auf."
Nicht praktikabel nach Arbeitern zu suchen
Tatsächlich ist es für viele Produzenten schon seit einiger Zeit nicht mehr praktikabel nach Arbeitern zu suchen, die dazu bereit sind und auch die Fähigkeit haben, die Trauben mit den Füßen zu stampfen. „Dazu kommt, dass auch während der Ernte Arbeitskräftemangel herrscht, - ein Problem, das durch die Pandemie noch zugenommen hat", ergänzt Francisco Mateus, Präsident von „Wines of Alentejo“. Das Alentejo sei eine Region mit geringer Bevölkerungsdichte, erklärt er weiter. Das Gebiet des Alentejo macht zwar 30 Prozent der gesamten Fläche Portugals aus, ist aber mit nur einer halben Million Menschen besiedelt, was etwa fünf Prozent der portugiesischen Bevölkerung ausmacht. „Die jungen Leute hier arbeiten nicht gerne auf den Feldern oder in den Weingütern.“
Mechanischen Kolben statt menschlicher Füße
So wurde im Alentejo frühzeitig auf Erntemaschinen umgestellt und auch auf mechanische Tretmaschinen. Mehrere große Portweinproduzenten begannen schon in den 1990er Jahren mit der Einführung von Gärtanks in denen "Porttoes", also mechanischen Kolben, die Arbeit der menschlichen Füße nachahmen. Francisco Mateus hat jedoch Zweifel an ihrer Wirksamkeit. „Menschliche Fußtritte holen mit einem sanfteren Druck das Beste aus den Traubenschalen heraus, es wird eine höhere Konzentration von Farbe und Tanninen erzielt“, sagt er. "Die Druck- und Quetscharbeit der Füße in den Marmor- oder Granit-Lagares ist intensiver, das kann mit Maschinen nicht nachgeahmt werden!"
Mechanischer Laufschuh hat viele Vorteile
Dagegen argumentiert die Marketingdirektorin und Exportbereichsleiterin Ana Rato von „Ramos Pinto“, dass ein mechanischer Laufschuh nicht nur die einzige wirtschaftlich tragfähige Lösung für die Branche sei, sondern dass er auch in vielerlei Hinsicht Vorteile biete, die menschliche Füße nicht haben. Bei „Ramos Pinto“ habe man 2019 angefangen, eine Maschine mit Silikonfüßen zu verwenden. Mit Ausbruch der Pandemie sei das der einzige gangbare Weg gewesen, da das Treten mit den Füßen aus Gesundheits- und Hygienemaßnahmen ausgeschlossen wurde.
Silikonpads sind rund um die Uhr im Einsatz
Die verwendeten Silikonpads kämen dem menschliche Fuß beim Treten ziemlich nahe, erklärt Ana Rato weiter. Die mechanischen Treter seien genauso empfindlich wie menschliche Füße und brächen die Traubenschalen genauso sorgsam auf. Farbe, Geschmack und hochwertige Tannine werden extrahiert ohne die Kerne zu zerbrechen. Ein weiterer Vorteil der Silikonpads sei, dass sie zu jeder Tages- und Nachtzeit im Einsatz sein könnten, was eine große Hilfe während der langen Erntezeit im Douro ist, die bis zu zwei Monate dauern kann. „Für Winzer haben die Silikonpads auch finanzielle Vorteile“, sagt Ana Rato weiter. Sie erklärt, dass der mechanischen Treter Jahrzehnte halten sollen und im Fall von „Ramos Pinto“ zwölf menschliche Stampfer pro Nacht ersetzen.
Traditionelles Fußstampfen wird nicht vollständig verschwinden
Dennoch sei das Treten mit den Füßen bei „Ramos Pinto“nicht vollständig aus der Produktion verschwunden. „Wir studieren und vergleichen die beiden Methoden, um Unterschiede zu erkennen und weiterhin den bestmöglichen Port zu produzieren“, sagt Ana. Es sei verlockend, die Vorteile des traditionellen Fußstampfens und die damit verbundene Kultur der Gemeinschaft und der Musik zu romantisieren. Aber die Romantisierung der Traditionen kann bei Winzern auch schnell zu Armut und Not führen. Nichtsdestotrotz wird es für die traditionelle Methode vermutlich immer einen Platz in der Weinbranche geben, meint sie, für die besonderen Tawnies etwa.
Die Weinqualität ist insgesamt deutlich gestiegen
"Vieles, von dem wir glauben, dass es authentisch ist, führt zu finanziellen Zwängen", sagt Goldstein. "Dass Weinmarken in Portugal auf moderne Methoden der Weinherstellung umsteigen, hat am Ende aber noch viel mehr Gründe. Sicher ist aber auch, dass die Weinqualität insgesamt deutlich gestiegen ist.“
Mensch oder Maschine – geht durch Silikonpads die traditionelle Verarbeitung von Wein verloren?
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