Lockdown am Kap
Die Stimmung scheint noch eher von einem Geist gegenseitiger Unterstützung geprägt und politisch reiht sich selbst der sonst unsägliche Julius Malema mit seiner Partei EFF hinter dem ANC ein. Die Regierung reagiert hart aber besonnen und schickte das Land am Freitag den 27.03. in einen 21 tägigen „lockdown“, wie die Ausgangsperre hier heißt. Die härtesten Maßmahmen weltweit! Dessen genaue Ausgestaltung sind auf der Regierungsseite sehr klar und einfach dargestellt und in den Townships schier nicht durchsetzbar. Während man bei uns arbeiten darf, ist das in Südafrika strengstens untersagt. Ausschließlich Lebensmittelgeschäfte, Tankstellen und Apotheken sind noch geöffnet. Auch gilt ein striktes Alkoholvertriebsverbot, weshalb am Tag vor dem „lockdown“ Alkoholläden überrannt wurden. Die Weinabteilungen in den Supermärkten sind geschlossen.
Was macht der Lockdown mit der Weinindustrie?
Was unsere Winzer betrifft, so haben die in den letzten Tagen und Wochen mit aller Macht versucht die letzten Trauben noch rechtzeitig vor dem „lockdown“ in den Keller zu bekommen. In den meisten Fällen hat das wohl auch grade noch geklappt. Was nun die anstehende Arbeit im Keller betrifft erhielten die Kellereien eine der wenigen Ausnahmegenehmigungen, um mit Minimalbesetzung die Ernte zu verarbeiten und so den Jahrgang 2020 zu sichern. Der wäre andernfalls unwiederbringlich verloren gewesen mit katastrophalen Folgen für die gesamte Weinregion. Wenn man weiß, dass mehr als die Hälfte der Kellereien ohnehin ständig ums Überleben kämpft, kann eins und eins zusammenzählen und sich ausrechnen was die Folge wäre.
Aber auch so wird es schon schlimm genug, denn schließlich verlässt ab sofort nicht eine Flasche mehr den Keller. Der Umsatz in den nächsten drei Wochen: „Null“. Denn auch der Export von Wein wurde komplett untersagt. Und da kommen nun wir ins Spiel. Noch haben wir ein gut gefülltes Lager, doch wegen zuletzt gestiegener Nachfrage entstehen erste kleine Lücken im Sortiment. Einen Container bekamen wir kurz vorher noch auf’s Schiff, für den nächsten waren wir dann leider einen Tag zu spät. Wie so oft also, wird diese Pandemie Ihre ganze Wirkung erst mit Verzögerung entfalten.
Natürlich versuchen die Standesvertretungen nun Einfluß zu nehmen und Erleichterungen zu erreichen, ob die allerdings von Erfolg gekrönt sein wird darf bezweifelt werden.
Folgen für die Menschen!
Schließlich hat das Land ganz andere Sorgen als die Befindlichkeit der Weinindustrie. Bei rund 50 Mio. Einwohnern verfügt Südafrika grade mal über ca. 1.000 Intensivbetten.
Der Vergleich mit Deutschland, wo wir ohne die aktuellen Anstrengungen 28.000 Betten auf 80 Mio. Einwohner haben, lässt die Dimension dieses Problems erahnen. Wenn man nun noch berücksichtigt unter welchen Bedingungen weite Teile der Bevölkerung leben und die gegebene Bevölkerungsdichte in den Townships der großen Städte mitbedenkt, dann bekommt man ein Gefühl dafür, vor welcher Herausforderung die Regierung und die Menschen in Südafrika stehen.
Zu allem Überfluss trifft das Virus hier auf weltweite Höchstraten an TB und HIV Patienten.
Die Sorgen unserer deutschen Solidargemeinschaft sind im Vergleich sehr übersichtlich. Die Gelder, mit denen die Politik hier versucht die Wirtschaft und jeden einzelnen Haushalt über die schwere Zeit zu bringen stehen in Südafrika schlicht nicht zur Verfügung. Bereits am ersten Tag der Ausgangssperre sehen sich viele Familien mit Hunger konfrontiert.
Millionen leben hier von der Hand in den Mund. Wer nicht arbeiten kann, hat hier sehr schnell schlicht nichts mehr zu Essen. Auch Wasser ist ein Problem, denn häufig gibt es Wasser noch immer nur an Sammelpunkten. Von fließend Wasser in allen Häusern ist Südafrika weit entfernt. Die Bilder die am 28.02. in den deutschen Abendnachrichten aus Südafrika gezeigt wurden, scheinen nun zu bestätigen, dass eine wirkliche soziale Isolierung im Township unmöglich sein wird. Die Bilder aus Italien im Kopf mag man sich gar nicht ausmalen wie diese Krise am Kap ausgeht.
Können wir helfen?
Die Regierung ist nun offenbar bereits dabei Nahrungsmittel Lieferungen in die betroffenen Gebiete vorzubereiten. Man wird sehen wie gut das klappt. Wir von unserer Seite aus überlegen ob es eine Möglichkeit gibt unsere Lebenslinien-Bäckerei wieder anlaufen zu lassen, um die schwächsten wenigstens mit 5.000 gesunden Magic Muffins pro Woche zu versorgen. Dazu bräuchten wir allerdings zuerst eine Sondergenehmigung zum Backen und dann noch Unterstützung der Behörden bei der Verteilung. Denn wenn wir die organisieren sind Menschenansammlungen keinesfalls zu vermeiden. Damit würden wir uns dann strafbar machen und hätten empfindliche Strafen zu erwarten.
Wie geht es weiter?
In diesen Zeiten leben wir unser Leben in ganz kleinen Einheiten immer erstmal nur mit Blick auf den heutigen und den jeweils nächsten Tag. Das gilt für uns und unsere Familie, das gilt für unser kleines Geschäft und das gilt für Lebenslinien e.V.
Wann immer wir das Gefühl haben es gibt etwas zu berichten, so werden wir an dieser Stelle ein paar Zeilen dazu schreiben.
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen und Ihren Lieben den notwendigen Gleichmut den die aktuelle Situation erfordert. Mögen alle die Angst haben nicht genug Toilettenpapier zu bekommen sich daran erfreuen jeden Tag etwas zu Essen auf dem Tisch zu haben und vor allem, vergessen Sie die nicht die, denen es weniger gut geht als uns selbst.
Wenn Ihnen Südafrika ein Anliegen ist und Sie den Wunsch haben vor allem die Kinder dort zu unterstützen, so würden wir von Lebenslinien e.V. uns freuen von Ihnen zu hören.